In der Reihe #Sanierungsstory begleitet die Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur (KEK) Menschen in Karlsruhe bei unterschiedlichsten (energetischen) Sanierungsprojekten. Vor welchen Herausforderungen sie stehen? Wie – und ob – sie diese meistern?
Wussten Sie, dass durch ungedämmte Dächer 20 % und mehr der Heizenergie entweichen? Galina weiß das – seit der Winter 2023 sie in ihrem „Haus Freund“ kalt erwischt hat (mehr darüber in → Teil 1). Ihr war also klar: Das Dach muss gedämmt werden. Aber wie? Und muss auch von außen etwas gemacht werden?
Heute lesen Sie über
- Dämmung der Dachschrägen mit Holzwolle, Schilf und Lehm
- Schrägdach vs. Krumm-und-schief-Dach
- Vorteile natürlicher Dämmstoffe
Was macht das Dach?
Eine gute Nachricht und große Erleichterung vorweg: Ziegel und Dachbahnen sind dicht! Und noch sehr gut in Schuss. Galina kann also direkt die Innendämmung der Dachschrägen starten, ohne vorher einen Dachdecker-Betrieb kommen zu lassen.
Das Dach macht Arbeit
Schon im Winter 2023 haben die Handwerkenden Galinas Vertrauens den unausgebauten Dach-boden von „Haus Freund“ mit Holzwolle gedämmt. „Das war unser Weihnachtsgeschenk an sie“, lacht Handwerkerin Kraft, wenn sie an den spontanen Arbeitseinsatz in der Weihnachtszeit zu-rückdenkt. „Außerdem haben wir Galina eine isolierte Luke für den Dachbodenzugang gebaut, damit möglichst viel Wärme in den Wohnräumen bleibt“.
Die Dachschrägen im ausgebauten Obergeschoss konnten bei der Spontanaktion aber nicht ge-dämmt werden, weil dafür zuerst die tapezierten Schalungsbretter von den Dachsparren mühsam abgenommen werden müssen. Diese Schalungsbretter verkleiden die tragenden Dachbalken (Sparren) von innen. Der Plan ist, diese Dachschrägen mit Holzwolle, Schilf und Lehm zu dämmen. Erst jetzt, 2024, ist die Zeit, sich dieser Aufgabe zu widmen. Und da wird’s richtig schräg.
Schräg lass‘ nach
Klar: Das Schrägdach ist eine seit Jahrtausenden bewährte und die in Deutschland vorherrschende Dachform. An Schrägdächern gibt es überhaupt nichts auszusetzen. Zu schräg ist die Sache aber, wenn das Dach auch noch krumm und schief wird – und das ganze Haus gleich mit. Diese Gefahr besteht bei Galinas Haus.
„Das Haus hält nicht nur das Dach, das Dach hält auch das Haus!“, schmunzelt die Hausherrin. Und Handwerkerin Kraft ergänzt: „Das ist bei vielen älteren Häusern so. Die Dachsparren werden von den Schalungsbrettern in ihrer Position gehalten. Wenn wir die alle auf einmal abnehmen, verzieht sich das Dach und wahrscheinlich das ganze Gebäude. Wir müssen vorsichtig sein und darauf achten, dass wir dieselben Bretter in exakt derselben Position wieder anbringen“.
Die Lösung: Galina und ihre Handwerkenden müssen ein bisschen puzzeln. Sie dürfen nicht alles in einem Rutsch abarbeiten, sondern arbeiten Sektion für Sektion.
Und so wurde es gemacht:
- Zuerst die alten Schalungsbretter pro Sektion nummerieren.
- Dann eine Sektion Schalungsbretter (zwei Sparrenfelder) vorsichtig abnehmen.
- Jetzt kann das Isolatormaterial, hier Holzwolle, in die Sparrenfelder eingebracht werden.
- Zu guter Letzt: die Schalungsbretter wieder fein-säuberlich zurück an ihren angestammten Platz nageln.
- Und weiter geht’s mit der nächsten Sektion.
Nachdem alles fertig gepuzzelt ist, werden auf der gesamten Fläche Schilfmatten angebracht und schließlich mit einer Lehmputzschicht abgeschlossen.
KEK-Kommentar:
„Es gibt lukrative Förderprogramme für Einzelmaßnahmen – so kann das Sanierungsprojekt deutlich kostengünstiger gestaltet werden. Und das Besondere: Fördermittel des Bundes können mit regionalen Förderprogrammen kombiniert werden (in Karlsruhe gibt es das KlimaBonus-Programm, das 2024 ausgelaufen ist, aber ab 2025 wieder aufgelegt wird)!“
Christian Diebold, KEK-Energieberater
Das Dach ist gedämmt!
Und zwar mit natürlichen Materialien: Holzwolle, Schilf und Lehm (ohne Dachfolie). Die Kombina-tion dieser Stoffe bietet gleich mehrere Vorteile:
Lehmputz ist nicht nur diffusionsoffen, sondern auch in der Lage, Wärme zu speichern und Feuchtigkeit zu regulieren. Lehm trägt zu einem behaglichen Wohnklima bei.
Holzwolle in den Sparrenfeldern. Die Wärmeleitfähigkeit von Holzwolle ist zwar höher als bei konventionellen Dämmstoffen wie Mineralwolle, dafür ist sie ein nachhaltiger Dämmstoff, diffusionsoffen und gesundheitsverträglich.
Zudem punktet Holzwolle durch ihre Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben, was sie für feuchtigkeitsgefährdete Dachkonstruktionen ideal macht.
Schilfmatten als Trägerschicht für den Lehmputz. Die Schilfmatten verteilen einerseits das Gewicht des Lehmputzes gleichmäßig auf die Dachkonstruktion. Andererseits verstärkt das Schilf den Lehm und macht ihn stabiler. Auch Schilf wirkt als Naturmaterial feuchtigkeitsregulierend und entfaltet in Kombination mit Lehm eine Dämmwirkung.
Natürlich. Ohne Dampfsperren
Die Kombination der Naturmaterialien Holzwolle, Schilf und Lehm hat viele Vorteile, die beson-ders bei der Dämmung eines alten und waldnahen Gebäudes wie „Haus Freund“ relevant sind.
So bleibt das Dach „atmungsaktiv“, bietet ein gesundes Raumklima und vermeidet Kunststoff-Dampfsperren, die bei älteren Gebäuden oft problematisch sein können, weil sie die Feuchtigkeit im Raum halten und Schimmelbildung begünstigen. „Die Materialien arbeiten hier zusammen, um ein stabiles und feuchtigkeitsresistentes Dach zu gewährleisten, das nicht nur ökologisch, son-dern auch bautechnisch durchdacht ist“, kommentiert Christian Diebold, Energieberater bei der KEK.
Knie, Stock, Stirn – jetzt kommen die Wände!
Die Dach-Dämmung ist geschafft. Aber die Sanierung ist noch lange nicht vorbei. Die Wände unter der Dachschräge, der sogenannte Kniestock, stehen als Nächstes auf dem Plan. Und das ist nicht weniger wichtig, denn diese Flächen sind regelrechte Schwachstellen, wenn es um Wärmeverlust (und übrigens auch Schimmelbildung) geht. Und auch die Stirnwände wollen isoliert werden – ganz zu schweigen von den Innenwänden im Erdgeschoss …
Das passiert auch – und zwar parallel. Dabei kommt ein wenig bekanntes Material zum Einsatz, auf das wir in der nächsten Sanierungsstory über „Haus Freund“näher eingehen werden.
Neugierig, wie es mit „Haus Freund“ weitergeht? Das erfahren Sie in der nächsten Sanierungsstory. In der Zwischenzeit besuchen Sie uns gerne auch auf unseren Social Media Kanälen.
Fotos: Sven Ochs (6), Paulina Barton (1)